· 

Ist segeln Luxus?

Es gibt viele Vorurteile in unserem Sport und falsche Vorstellungen.

Wenn ihr das lest werdet ihr einen besseren Blick auf den Segelsport bekommen.

Timo von Bruder Leichtfuß hat es auf den Punkt gebracht.

Eine Beitrag von Timo Peters (Bruder Leichtfuß) 

Die Sonne lacht vom hellblauen Himmel und im ebenso türkis-blauen Meer spiegelt sich eine strahlend weiße Segelyacht. Braun gebrannte Männer in schicken Shorts, weit geöffneten weißen Hemden und mit teueren Ray-Bans auf der Nase stehen auf dem Teak-Deck an Bord und vergnügen sich mit Cocktails und jungen, hübschen Frauen in weißen Kleidern und mit großen Hüten. Morgen, irgendwann nach dem Ausschlafen und dem Champagnerfrühstück, wird abgelegt: Der Skipper steuert die Marina von St. Tropez an, wo die feine Gesellschaft die Clubs unsicher machen will.

So ist es also, das Leben als stolzer Eigner einer Segelyacht. La dolce vita, der pure Luxus.

Viele Menschen scheinen diese Vorstellung vom Segeln zu haben. Schließlich ist es auch das, was uns die hübschen Werbefilmchen für Becks, Bacardi und Rafaello uns so weismachen wollen. Ein wunderschönes Bild – nur leider in 99% aller Fälle völlig falsch.

Vorurteil #1: Segler liegen auf der faulen Haut

Ganz sicher gibt es sie, die Millionäre und Milliardäre, die eine (oder mehrere) Yachten besitzen und sie von ihren Angestellten warten lassen. Für alle anderen Fahrtensegler bedeutet Segeln aber vor allem eines: Viel Arbeit. Einmal im Jahr will das Boot aus dem Wasser geholt werden, dann wird der Rumpf auf Schäden überprüft und eine neue Anit-Fouling-Farbe aufgetragen – das durfte ich mal an der Ostsee mitmachen – eine riesige Sauerei, das sag ich euch. Bei Booten aus Stahl kommt dazu noch die ständige Rostbekämpfung mit Flex, Schleifmaschine, Schweißbrenner und viel Farbe – laufend.

Was viele Landratten nicht bedenken: Eine Segelyacht ist ein komplettes Einfamilienhaus, das in Salzwasser schwimmt. Es gibt kilometerlange elektrische Leitungen (Fragt mal euren Elektriker, was er davon hält, seine Installationen in die Nähe von Meerwasser zu bringen und täglich stundenlang ruckartig zu bewegen…), diverse Pumpen für süßes, salziges, sauberes und schmutziges Wasser, einen Motor, der häufig seine besten Tage schon hinter sich hat – und ALLES geht STÄNDIG kaputt.

Deshalb nahmen auf jedem Boot, das ich bislang betreten habe, die verschiedenen Werkzeuge deutlich mehr Stauraum ein als der gesamte Proviant – inklusive Champagner. Auf jedem Segelboot gibt es Schleif- und Bohrmaschinen, Akkuschrauber, Schweißgeräte, Stichsägen, Spannungsprüfer, Maulschlüssel und Rohrzangen in allen Formaten.

„Cruising means reparing boats in tropical places“

heißt deshalb eines der berühmtesten Sprichworte unter Seglern. In Hafenkneipen habe ich so gut wie nie Gespräche über Segelstellungen oder -techniken gehört. Beim Feierabendbier geht es unter Fahrtenseglern vor allem um ein Thema: Um Reparaturen. Wo finde ich einen guten Schweißer auf den Kapverdischen Inseln? Kann man den bezahlen? Kennst du jemanden, der eine Ölpumpe an Bord hat? Hast du schon mal einen Anlasser repariert? Und wieso läuft mein Außenborder nicht mehr rund?

Achso: Häufig wird angenommen, dass Fahrtensegler einfach tierisch viel Urlaub machen oder einfach gar nicht mehr arbeiten. Auch das stimmt nur teilweise: Viele erfüllen sich erst als Rentner den Traum einer Weltumsegelung, einige Leute sparen und nehmen sich eine Auszeit. Es gibt aber auch eine Menge Segler, die von unterwegs arbeiten. Als Texter, Webdesigner, Übersetzer oder Webhoster – sie leben als, neuerdings so genannte, digitale Nomaden und arbeiten sozusagen noch nebenbei.

Vorurteil # 2: Segeln ist teuer

Klar, ein Boot kostet Geld. Auch die ganzen Ersatzteile kosten eine Menge Kohle. Und doch: Die meisten Segler, die ich bislang kennen lernen durften, sind nicht reich. Viele sind sogar alles andere als das.

Kürzlich habe ich mich zum Beispiel mit Nike unterhalten, ein Hamburger Mädel, das sich im letzten Jahr eine Segelyacht in Panama gekauft hat. Kostenpunkt: Unter 10.000 Euro. Es gibt Leute, auch keine Millionäre, die geben einen solchen Betrag für eine neue Couchgarnitur aus. Nike aber lebt auf ihrem Boot, zahlt keine Miete und auch keinen Kredit fürs Häuschen ab.

Allerdings ist Nike noch nicht so richtig viel gesegelt in den letzten Monaten: Im Moment ist sie auf der Suche nach einem bezahlbaren Aluminium-Schweißer mit der richtigen Ausrüstung in Panama (siehe Vorurteil Nummer 1)…
–> Nike hat einen tollen auf dem sie von ihrem Leben berichtet – ganz bald gibt es dann auch mehr zu ihr bei mir im Blog!

Anderes Beispiel: Die deutsch-argentinische Familie Eitzinger segelt seit drei Jahren um die Welt und ist gerade in der Südsee unterwegs. Die Eitzingers haben auf ihrer Reise vor allem eines gelernt: Sparen! Mittlerweile lebt die vierköpfige Familie unterwegs von ungefähr 1000 Dollar im Monat – wer kann das in Deutschland nachmachen?

Vorurteil #3: Segler leben luxuriös

Wenn ich einem Nicht-Segler erklären will, wie das Leben an Bord eines Bootes so aussieht, dann sage ich: Stell dir einfach ein schwimmendes Wohnmobil vor, aus dem du nicht aussteigen kannst. Das bedeutet:

  • Essen: Die meisten Segelboote haben einen Gaskocher mit zwei (seltener: vier) Kochstellen an Bord. Dieser bewegt sich mitsamt Töpfen und Pfannen und deren Inhalt während des Kochens, was das Kochen zu einem schwierigen und sogar gefährlichen Unterfangen macht.Bei Ozeanüberquerungen gibt es noch das Proviant-Problem: Wenn es einen funktionierenden Kühlschrank gibt, ist er zu klein für die ganze Vorräte. Also weichen Fahrtensegler auf Dosennahrung aus und auf Nahrungsmittel, die lange haltbar bleiben. Also: in der Regel gibt es auf Segelbooten einfachste Küche.
  • Hygiene: Auf vielen Segelbooten gibt es eine kleine Nasszelle mit kleinem Klo und oft auch mit Dusche. Problem daran: Beides nimmt Platz weg, wovon es eh schon viel zu wenig gibt. Und für beides muss genug Wasser an Bord sein. Auf meinem Transatlantiktörn haben wir nur mit salzigem Meerwasser geduscht – zwei Wochen am Stück.Eine Toilette dagegen birgt eigene Risiken: Es muss sauberes Wasser für die Spülung heran gepumpt werden, eine andere Pumpe bringt das Schmutzwasser wieder von Bord. Zwei Pumpen, die beide gerne mal kaputt gehen können und die Reparatur meist ziemlich ekelig sein kann – die meisten Segler benutzen ihre Toilette nur im Notfall, andere verzichten ganz drauf. Der Ostsee-Fahrtensegler „Digger Hamburg“ erzählt zum Beispiel hier in seinem Podcast, dass er eine Flasche für sein kleines Geschäft nutzt und einen Eimer für das Große.Im Hafen nutzt übrigens kein Mensch den Sanitärbereich seiner Yacht. Hier macht man jeden Morgen einen Ausflug zu den Gemeinschafsduschen – Campingplatzfeeling garantiert!
  • Unterhaltung: Auf längeren Ozeanpassagen ist die Stromversorgung eines der größten Probleme. Alles, was verbraucht wird, muss an Bord von Solarzellen, Windgeneratoren oder dem Motor produziert werden – das heißt, Strom ist ein knappes Gut. Konsequenz: Strom sparen, wo es nur geht, jegliche Stromfresser sind tabu. Auf meiner Reise^ per Anhalter über den Atlantik hatten wir den Kühlschrank abgestellt und unser größter Luxus war die tägliche halbe Stunde Musik aus den Lautsprechern.
    • Schlafen: An Bord schläft man in Kojen, die dem mangelnden Platz an Bord eines Segelschiffs angepasst sind. Das heißt: Eine Einzelkoje ist in der Regel knapp 60 Zentimeter breit und zwischen 1,80 und 2 Meter lang – also ungefähr so groß wie meine Isomatte fürs Zelt. Die bewegt sich allerdings nicht: Auf See habe ich mich mal mit Tauen in meiner Koje festgebunden, weil ich wegen des Seegangs sonst ständig aus dem Bett gefallen wäre.

Gemütlich, oder?

Trotzdem: Segeln ist gelebter Luxus!

Trotz, oder gerade wegen all dieser Punkte ist (und bleibt) das Fahrtensegeln für mich echter Luxus. Denn: Wahrer Luxus bedeutet für mich nicht teurer Wein, eine riesiger Fernseher  oder ein schickes Auto. Wahrer Luxus bedeutet für mich, mir täglich von morgens bis abends frische Seeluft um die Nase wehen zu lassen. Unabhängig von den Menschen an Land zu leben und mein ganz eigenes Leben, nah an der Natur führen zu können. Entscheiden zu können, wo ich morgen Abend mein Feierabendbier trinke.

Pit: 

Segeln bedeutet für mich und für viele andere Segler vor allem Freiheit und Selbstbestimmtheit – dafür nehmen wir gerne so einiges in Kauf.

Auch wenn es immer schwerer wird genau diese Plätze zu finden an denen diese Freiheit gelebt werden kann.

Immer mehr Sanktionen, Gebühren und Vorschriften engen uns ein.

 

Dennoch es gibt es sie noch diese Plätze die wahres Glück verheißen und es lohnt sich "verdammt noch mal" zu ihnen aufzubrechen.

 

Danke Timo, für die treffenden Einblicke in das Seglerdasein. Du hast es auf den Punkt gebracht und ich kann jedes Wort unterschreiben.

Ihr wollt mehr erfahren über die Reiseabenteuer von Bruder Leichtfuß - dann hier klicken :

 

https://www.bruderleichtfuss.com